INTERPLAST unterstützt Plastische Chirurgen in Erbil/ Kurdistan


Der Hilferuf aus Kurdistan erreichte die INTERPLAST- Sektion Bad Kreuznach, gerade wo sich alles um Corona dreht und jeder versucht, damit in Deutschland klar zu kommen. Trotz der Probleme im eigenen Land, ist die Not in vielen anderen Ländern noch viel existentieller und verdient unsere Aufmerksamkeit und Anteilnahme.
Und so berühren uns die Flüchtlingslager im Nordirak, wo immer noch 700.000 Flüchtlinge darauf hoffen, einmal wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.

Seit vielen Jahren engagiert sich die Frankfurter Hilfsorganisation „Luftfahrt ohne Grenzen – Wings of Help“ in der Region um Erbil, im Norden des Iraks, wo die Kurden eine autonome Regierung von Kurdistan gebildet haben. Dank dem großartigen Engagement  der kurdischen Barzani Charity  Foundation werden hier hilfesuchende Flüchtlinge aufgenommen, versorgt und medizinisch betreut. Um die medizinische Versorgung vor Ort zu unterstützen,  baten die Organisatoren um die Mithilfe von Dres. André und Eva Borsche aus Bad Kreuznach. Und so planten sie gemeinsam mit Frank Franke von „Luftfahrt ohne Grenzen“  einen Einsatz nach Kurdistan, um sinnvolle Hilfsmöglichkeiten zu erkunden.
Die beiden Kreuznacher Ärzte reisten die Tage nach Erbil und erlebten die Situation hautnah vor Ort. Sie besuchten Flüchtlingslager, soziale Hilfseinrichtungen und ein Verbrennungskrankenhaus, um die genaue Bedürfnislage der Vernachlässigten, Vertriebenen und Kranken zu erkunden.

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Dabei erlebten sie jede Menge Überraschungen:
ERBIL, die Hauptstadt des Freistaates KURDISTAN im Norden des Irak, hat sich zu einem Zentrum internationaler Hilfsorganisationen entwickelt, um die Flüchtlingskrise zu bewältigen. Die uns einladende BARZANI Stiftung verwalten und betreuen mit hunderten sozial engagierten jungen Leuten die 700.000 Flüchtlinge, die in großen und kleineren Lagern über das Land verteilt untergebracht sind.
Anstatt Fliegen, Staub, Dreck und Geschrei erleben wir in den zwei großen Flüchtlingsunterkünften, die wir besuchen, sauber angelegte, mit einfachen Mitteln ausgestattete Zelt- bzw. Wohncontainersiedlungen, mit kleiner Schule (leider wegen Corona geschlossen) und einer Arztbarracke, in der rund um die Uhr junge Ärztinnen und Schwestern akkurat organisierte medizinische Grundversorgung leisten.
Materiell fehlt es an vielem: Verbandsmaterial, Basismedikamente, an allem muss gespart werden. Das wenige wird sinnvoll verteilt.

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Was sich der sehr um seine Schützlinge bemühte Lagerleiter wünscht? Ein Feuerwehrauto für die Brandgefahr, wenn die gleißende Sonne die Zeltdächer und Plastikplanen im 50° heißen Sommer erhitzt und natürlich, dass das Lager irgendwann ganz leer ist und die Familien in ihre Heimat zurückkehren können! Doch dort herrscht Krieg, Verfolgung und Willkür. Die Menschen sind traumatisiert und haben Angst. Hier im Lager sind sie in Sicherheit, anstatt, wie oft in fremden Ländern, auf hochmütig und auf finanziellen Vorteil bedachte Privatärzte treffen wir hier auf hingebungsvoll und hochqualifiziert arbeitende Kollegen, die sich weit über ihre zeitlich eng begrenzte Tätigkeit im staatlichen Krankenhaus für ihre Verbrennungspatienten einsetzen. Und davon gibt es viele!
Im Winter werden die Betten der Kinderverbrennungsstation nicht reichen.
Auf dem Lande wird mit Kerosinkochern geheizt, da kommt es zu häufigen Unfällen. Monatelang müssen die Kinder gepflegt, immer wieder verbunden und vielfach operiert werden, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen. Da reichen die vorhandenen Mittel hinten und vorne nicht. Salben, Verbandsmaterial, Bettwäsche, Decken und für den Winter warme Kleidung, obwohl es an allem fehlt, wird jeder Patient aufgenommen und mit dem vorhandenen versorgt. Anstatt in dieser toleranten, mitmenschlichen Atmosphäre nur glückliche Menschen zu erleben, erfahren wir von den Verbrennungsärzten schreckliches: 40 Prozent aller Feuerverletzungen geschehen in selbstmörderischer Absicht! Meistens sind es junge Frauen, die in ihrer Verzweiflung keinen Ausweg sehen, und die Selbstverbrennung für den schnellsten Tod halten. Wenn sie wüssten, was für ein qualvoller Lebensweg sie nach diesem Unglück erwartet….

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Am Samstagmorgen wird uns die 17 jährige Robin vorgestellt:

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Im August 2019 wusste sie einfach nicht mehr weiter. Ihrer Mutter und dem Stiefvater wollte sie sich nicht anvertrauen. Sie war immer unter den Besten in der Schule gewesen. In diesem Schuljahr waren die Noten deutlich schlechter ausgefallen. Sie schämte sich so! Sie holte Streichhölzer und einen Benzinkanister ….. die Mutter hörte als erste die verzweifelten Schreie… seitdem durchleidet Robin ein nicht endendes Martyrium. Mehrere Operationen konnten ihr aufrechten Gang und den Gebrauch ihrer Hände zurückgeben, doch die täglichen Schmerzen, das Jucken und Stechen der nun wulstig wachsenden Narbenstränge kann ihr niemand nehmen.
Zu fünft beratschlagen wir mit den Eltern was zu tun ist. Mit einer Spende könnte eine Kompressionsjacke angefertigt werden, die bei konsequentem Tragen die Narben weicher und nachgiebiger macht. Das würde auch die Schmerzen reduzieren.
Mutter und Tochter sind tief gerührt, darüber, dass aus Deutschland Menschen doch noch Hilfe bringen können, sie hatten schon alles aufgegeben! Nur ein Versprechen muss Robin leisten: trotz ihres bedauernswerten Aussehens soll sie tapfer regelmäßig zur Schule gehen und über alles sprechen, was sie bedrückt. Durch die Krankheit sind Robin, Mutter und Vater ganz eng zusammengewachsen.
Neben dem menschlichen Leid berührt uns vor allem die fehlende Perspektive vieler Flüchtlinge, die gerne wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen, aber  immer noch Angst und Schrecken fürchten, nach all den Gräueltaten, die sie erleben mussten.

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Was können wir nun tun, um diesen Menschen zu helfen ?
Natürlich haben wir medizinisches Material, Fieberthermometer, Handschuhe, Mundschutze und viele Verbandsstoffe mitgebracht, doch fehlt es auch an Salben, speziellen Materialien und Medikamenten, die für die Versorgung Schwerstverletzter benötigt werden. 200.000 Gesichtsmasken sollen in den nächsten Wochen durch „Wings of Help“ per Lastwagen auf dem Landweg per LKW bis nach Kurdistan reisen.

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Neben der materiellen Hilfe ist von den kurdischen Ärzten aber auch eine fachliche Unterstützung für schwierige Fälle gewünscht und in besonderen Situationen eine Verlegung nach Deutschland, zur Behandlung im Diakonie Krankenhaus Bad Kreuznach. Gerne würde hierbei „Luftfahrt ohne Grenzen“ logistisch mithelfen, damit die solidarische, humanitäre Hilfe auch Wirklichkeit wird.

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Dr.  André Borsche

INTERPLAST-Germany