Medizingeschichte zum „Anfassen“:
Zehn Jahre doppelte Armtransplantation

Berlin, 25.07.2018 – Die erste doppelte Armtransplantation weltweit: 15 Stunden Operation, 40 Ärzte unterschiedlicher Disziplinen, zwei OP-Teams, erinnert sich Prof. Dr. Riccardo Giunta, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), an die Nacht vom 25. auf den 26. Juli 2008. „Es hat mich stark geprägt und beeindruckt, Teil des OP Teams am Klinikum Rechts der Isar in München sein zu dürfen. Sofort war damals allen Beteiligten klar, dass wir hier Medizingeschichte geschrieben haben.“

Im Team zum Ziel
Schnell sei man sich bewusst gewesen, dass der Eingriff zunächst gut verlaufen war. „Besonders groß war die Sorge vor einer Abstoßung der Transplantate“, führt Giunta aus. Je größer das Transplantat, desto mehr medikamentöse Unterdrückung des Immunsystems und Belastung des Blutkreislaufs seien zu erwarten gewesen, erläutert Giunta. Daher habe man mit zwei fast vollständigen Armen Neuland betreten, Nieren, Herzen oder auch Hände seien schließlich deutlich kleiner. Dass der Landwirt überlebte und seine neuen Arme wieder nahezu vollständig nutzen konnte, ist aus seiner Sicht eine echte Teamleistung: „Die Transplantationsmediziner haben den Patienten medikamentös eingestellt, die Intensivmediziner und Anästhesisten die große Volumenbelastung durch die vielen zusätzlichen Kilogramm Körpergewicht kontrolliert – die Orthopäden und Unfallchirurgen haben die knöchernen Strukturen miteinander verbunden. Die Plastische Chirurgie hat die Operation geleitet, und wir haben Weichteile, Gefäße und vor allem die Nerven, die das funktionelle Ergebnis maßgeblich beeinflussten, mikrochirurgisch, also unter dem Mikroskop, vereint“, berichtet Giunta von dem historischen Eingriff der Plastischen Chirurgie.

Plastische Chirurgie – ein Fach mit Vision
All dies, so Giunta war lediglich möglich, weil es die Vision gegeben habe, dass eine Transplantation nicht nur der Hände, sondern ganzer Arme gelingen könne. „Damit steht der Eingriff exemplarisch für eine Besonderheit unseres Fachgebietes: Wir haben selten feste Routinen und standardisierte Eingriffe“, berichtet der heutige Direktor der Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Ästhetische Chirurgie der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Vielmehr suchen und finden wir individuelle Lösungen für komplexe chirurgische Problemstellungen, etwa auch nach Entfernung großer Tumoren. Häufig arbeiten wir, wie auch in diesem Fall, interdisziplinär mit anderen Disziplinen zusammen, um für jeden Patienten die bestmögliche Lösung zu finden.“ Er selbst denke bis heute bei komplexen Fragestellungen gerne an diesen Eingriff zurück: „Es ist sehr ermutigend, dass der Patient gut mit seinen Armen lebt und die Lebensqualität deutlich gesteigert werden konnte“, berichtet Giunta abschließend und dankt seinem damaligen Lehrer Prof. Dr. Edgar Biemer für die Einbindung bei dem Eingriff. „Er hat uns damit gezeigt, dass man Grenzen verschieben und so Patienten in ausweglosen Situationen helfen und in einem gewissen Rahmen Medizingeschichte schreiben kann.“  So habe der Eingriff nicht nur die Operateure geprägt, sondern auch innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion neue Perspektiven eröffnet. Seither seien diverse doppelte Armtransplantationen erfolgt und hätten Patienten, denen mit Prothesen nicht ausreichend geholfen werden konnte, Lebensqualität zurückgegeben.

50 Jahre DGPRÄC – Aktionen zum Jubiläumsjahr 2018
Am 16. Oktober 1968 wurde die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) in Bochum gegründet. Anlässlich des Jubiläums plant die DGRRÄC zahlreiche Aktionen. Unter www.50-jahre-dgpraec.de wächst eine elektronische Zeitleiste, in der die Geschichte der Plastischen Chirurgie und der Fachgesellschaft dokumentiert wird. Monatliche Presseinformationen zeigen die Vielfalt des Fachgebietes. Gemeinsam mit der Berliner Universität der Künste erstellte Animationsfilme zu den vier Säulen des Fachgebietes, der Rekonstruktiven, Hand-, Verbrennungs- und Ästhetischen Chirurgie stellen das Fachgebiet für den Laien verständlich dar. Filme zur Plastischen Chirurgie finden Sie auf unserem YouTube-Channel: https://www.youtube.com/channel/UCwNpuMgE8hgF3zke-_Z43mg, den Film zur Handchirurgie hier: https://youtu.be/LDTFo_hRXzg

Schließlich trifft sich die Fachgesellschaft zu ihrem Jahreskongress am Gründungsort in Bochum im September 2018 und plant am 16. Oktober 2018 erstmals einen bundesweiten Tag der Offenen Tür in Kliniken und Praxen ihrer Mitglieder.