Zwischen Ethik und Monetik:
Menschlichkeit in der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie

Bremen – „Das Kongressmotto soll das große Unbehagen über die zunehmende Ökonomisierung in der Medizin zum Ausdruck bringen und uns zugleich daran erinnern, dass Menschlichkeit die Basis ärztlichen Handelns sein sollte“, betont Prof. Dr. Can Cedidi, Kongresspräsident der diesjährigen gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) und der Vereinigung der deutschen Ästhetisch Plastischen Chirurgen (VDÄPC).

Mindestmengen, Abrechenbarkeit von Leistungen, Personalschlüssel
„Wir sind Arzt geworden um zu heilen. Was unseren Alltag aber zunehmend bestimmt, ist die Diskussion um Personalschlüssel, die Kodierung von Leistungen und vertraglich geregelte Zielvereinbarungen“, macht Cedidi deutlich und führt aus, dass diese wirtschaftlichen Anforderungen, auf die er in Studium und Ausbildung nicht vorbereitet worden sei, seine ärztlichen Bemühungen zeitweise regelrecht konterkarierten. „So kommt es vor, dass mir eine medizinische Leistung angezeigt erscheint, etwa die Deckung eines Gewebes mit Kunsthaut, die Leistung in diesem Fall aber nicht abzurechnen ist. Oder eine Frau leidet unter großen Brüsten, aber der Medizinische Dienst der Krankenkassen sieht, anders als ich, keine Notwendigkeit für den Eingriff. In derartigen Fällen bin ich erheblich in meiner ärztlichen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt und gezwungen, den Patienten die Situation entsprechend darzulegen, auch wenn ich selbst nicht vom Vorgehen überzeugt bin“, verdeutlicht Cedidi den täglichen Zwiespalt. Auch die Organisation seiner Klinik könne ein Chefarzt in der Regel nicht allein am Patientenwohl ausrichten, seinen Personalschlüssel könne er nicht selber bestimmen, hier gebe es in aller Regel strenge wirtschaftliche Vorgaben, hinzu kämen die aktuell viel diskutierten Zielvereinbarungen in Chefarztverträgen. „All diese Anforderungen jenseits der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit stören die Konzentration auf den Patienten und rauben Zeit für den wichtigen direkten Arzt-Patienten-Kontakt außerhalb des Operationssaales“, schließt der Chefarzt der Plastischen Chirurgie am Klinikum Bremen-Mitte.

Menschlichkeit im privatärztlichen Bereich
„Im privatärztlichen Bereich stellt sich die Abrechnungssituation bei privat versicherten Patienten zumeist deutlich einfacher dar, notwendig erscheinende Maßnahmen werden zumeist bewilligt“, berichtet Cedidi aus der Praxis. Kompliziert werde es aus seiner Sicht im Bereich der ästhetischen Chirurgie: „Hier ist eine besonders große Menschenkenntnis und ausgeprägte Empathie gefragt, in keinem Fall dürfen hier wirtschaftliche Interessen den Arzt in seiner Patientenführung beeinflussen“, fordert Cedidi. Grundsätzlich wünsche er sich, dass die Politik den Arzt von wirtschaftlichen Zwängen möglichst befreie und falsche Anreizsysteme unterbinde. „Wir haben es täglich mit Menschen in sehr individuellen, häufig auch kritischen Situationen zu tun. Ich wünsche mir sehr, dass ich mich dann auch einzig auf den Patienten konzentrieren und entsprechend agieren kann“, schließt der Kongresspräsident.