Erster PIP-Prozess vor deutschem Gericht:
Ärzte müssen sich auf Medizinprodukte verlassen können

Berlin – „Ärzte müssen sich darauf verlassen können, dass zugelassene Medizinprodukte die Anforderungen erfüllen“, fordert Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) mit Blick auf den ersten deutschen PIP-Prozess in Karlsruhe. „Wenn ich mich als Plastisch-ästhetischer Chirurg für ein bestimmtes Medizinprodukt entscheide, orientiere ich mich an der Zulassung, an Fachpublikationen und Kongressbeiträgen. Außerdem habe ich meine eigenen Erfahrungen und kann mich mit den Kollegen austauschen“, berichtet Prof. Vogt aus der täglichen Praxis. „Aber das reicht nicht.“

Transparenz gefordert
„Die DGPRÄC und andere Akteure fordern schon seit langem eine staatliche Zulassung und ein unabhängiges Zentralregister über im Körper verbleibende Medizinprodukte. Außerdem sollten im Zulassungsprozess unangekündigte Kontrollen des Herstellers, verpflichtende klinische Studien, eine Nutzenanalyse und Anwendungsbeobachtungen zum Standard werden. Wünschenswert wäre aber vor allem eine größere Transparenz“, fordert Prof. Vogt. Anhand der Zulassungsunterlagen sollte sich jeder Arzt selbst ein Bild über das Produkt machen können. Besonders die Komplikationsmeldungen seien dabei von Interesse. „Entsprechend der aktuellen Rechtslage erfahren Ärzte und Verbände meist erst dann von Problemen, wenn entweder der Hersteller oder das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vor Komplikationen mit einem Produkt warnt. Es würde sehr helfen, wenn Meldungen an das BfArM – egal ob von Anwendern oder Herstellern – transparent würden. So ließe sich die Sensibilität der Anwender frühzeitig erhöhen. Ärzte könnten vor der Anwendung eines Produktes prüfen, ob bereits Komplikationen aufgetreten sind. Als Verband könnten wir bedenkliche Entwicklungen frühzeitig erkennen, kommunizieren und damit sicher auch das vielfach kritisierte Meldeverhalten der Ärzte optimieren“, erläutert Prof. Vogt. Im Rahmen einer Sitzung zu PIP beim BfArM habe man bereits im Januar eine stärkere Einbindung der Fachgesellschaften bei der Bewertung der Vorkommnismeldungen angeregt.

„Einer muss haften“
In dem nun laufenden ersten PIP-Verfahren hatte der Anwalt der Patientin fünf Parteien verklagt und laut Medienberichten gefordert, dass „einer haften müsse“, da man die Frauen nicht mit ihrem Schicksal allein lassen könne. „Dem stimme ich grundsätzlich zu“, betont Prof. Vogt, räumt aber ein, dass nur schwer zu klären sei, wer hier außer dem Hersteller in Haftung zu nehmen wäre. „Die Kassen sollten ihre Verpflichtung zur Selbstbeteiligung der Patientinnen nach einem ästhetischen Eingriff möglichst großzügig auslegen – dies scheint aber leider nicht immer der Fall zu sein“, berichtet er und ergänzt, dass eine verpflichtende Haftpflichtversicherung dringend notwendig sei und auch über einen Entschädigungsfonds für derartige Fälle nachgedacht werden müsse. „Weder Patienten noch Ärzten kann die finanzielle Verantwortung für die Folgen der kriminellen Energie eines Einzelnen aufgebürdet werden“, formuliert Prof. Vogt und fordert die Bundesregierung auf, im Rahmen ihrer Stellungnahme zum EU-Kommissionsvorschlag zur Medizinproduktezulassung auch diesen Aspekt zu berücksichtigen. Bezüglich des Kommissionsvorschlages regt Prof. Vogt eine breitere Einbindung aller Interessierten an. Die britische Aufsichtsbehörde „Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency“ (MHRA) habe in dieser Woche ein öffentliches Stellungnahmeverfahren zum Kommissionsvorschlag eröffnet, das eine breite Beteiligung an der Diskussion ermöglicht und sicher neue Ansätze hervorbringen werde.

 

Link zum Aufruf der MHRA:
http://www.mhra.gov.uk/Publications/Consultations/Deviceconsultations/CON205361

Link zum Kommissionsvorschlag:
http://ec.europa.eu/health/medical-devices/documents/revision/index_en.htm

Informationen und Dokumente zu PIP-Implantaten:
www.dgpraec.de/pip