PIP-Implantate und Folgekosten:
Solidarität als Grundpfeiler der GKV

Berlin – „Es ist einem Antrag der Fraktion ,Die Linke’ zu verdanken, dass der Gesundheitsausschuss des Bundestages Ende April zum Thema ,Opfer des Brustimplantate-Skandals unterstützen – Keine Kostenbeteiligung bei medizinischer Notwendigkeit’ diskutiert wurde“, berichtet Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC). Er ergänzt, dass eine grundsätzliche Diskussion des Paragraphen § 52 Abs. 2 SGB V, also der Folgekostenregelung aus Sicht der DGPRÄC überfällig war.

Einführung des Selbstverschuldungsprinzips
„Aus meiner Sicht ist es nicht hinnehmbar, dass Patientinnen für die schicksalhaften Folgen eines ästhetischen Eingriffs von der Gesetzlichen Krankenversicherung an den Folgekosten beteiligt werden müssen“, erläutert Prof. Vogt. Dies habe man in der Stellungnahme zur Bundestagsanhörung auch erneut deutlich gemacht: „Neben dem grundsätzlichen Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Paragraphen 52 bestehen insbesondere Zweifel an der Beschränkung auf die Risiken, die sich aus Schönheitsoperationen, Tätowierungen und Piercings ergeben. Dies widerspricht aus unserer Sicht massiv dem Gleichbehandlungsgrundsatz und somit dem Grundgesetz.“ Matthias Bernzen, Richter am Sozialgericht Düsseldorf, argumentierte ähnlich und wies darauf hin, dass die derzeitige Beschränkung auf Gesundheitsrisiken infolge von Schönheitsoperationen, Tätowierungen und Piercings eine „sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung“ darstelle.

Solidarität – eine Systemfrage
Entsprechend hatte die DGPRÄC in ihrer Stellungnahme angemahnt, dass die Einführung des Selbstverschuldungsprinzips in der GKV, so dies denn politischer Wille sei, eine völlige Neuausrichtung der GKV erforderlich mache. „Dabei ist aus meiner Sicht völlig unklar, wie man selbstbeförderte Risiken im System abbilden sollte. Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen hier als öffentlichkeitswirksames Pilotprojekt zu installieren, bleibt nicht nachvollziehbares Unrecht“, stellt Prof. Vogt fest. Der Komplex müsse auch vor dem Hintergrund des Rückzugs der GKV aus einigen Bereichen betrachtet werden. „So war es vor zehn Jahren noch üblich, bei körperlichen Beschwerden die Kosten einer Brustverkleinerung zu übernehmen. Dies wird zunehmend schwerer, ebenso die Kostenübernahme bei Straffungsoperationen nach starker Gewichtsabnahme und anderes. Selbst die Rekonstruktion nach Brustkrebs wird in Einzelfällen nicht mehr erstattet“, berichtet der Plastische Chirurg aus der Praxis. Er betont, dass diese Patienten nun doppelt gestraft seien – zu den Eingriffskosten käme nun das Risiko der Folgekosten, obgleich der Eingriff aus ärztlicher Sicht durchaus medizinisch indiziert sei. Deutlich werde zunehmend, dass die Kostenübernahme kein geeigneter Parameter sei, um Eingriffe als „medizinisch indiziert“ oder „nicht medizinische indiziert“ zu klassifizieren, schließt Prof. Vogt.

Sämtliche Materialien (Antrag, Stellungnahmen, Video) der Anhörung finden Sie hier: http://tinyurl.com/cmm2q2g

Die Einschätzung von Richter Matthias Bernzen (Sozialgericht Düsseldorf) zu der Verfassungsmäßigkeit von § 52 Abs. 2 SGB V finden Sie hier: http://tinyurl.com/bm89abv